Polenzwald, 12.08.2017

09:45 Uhr – 11:45 Uhr
15 °C, bedeckt, mäßiger Wind.

Tacet, die Pause, die Anweisung an den Musiker zur Stille. Das Stück von John Cage 4:33, drei Sätze Tacet, die Herausforderung, die Stille zu erfahren. Es gibt kaum eine Aufführung des Stückes, die nicht durch Unmutsbekundungen des Publikums unterbrochen wird, 4 Minuten und 33 Sekunden Stille zu ertragen ist schwer. Stille, die es nicht gibt. John Cage ging in einen schalltoten Raum, wollte sich der Stille aussetzen und hörte dennoch zwei Töne, einen hohen und einen tiefen, der tiefe stamme von seinem Blutkreislauf, der hohe von seinem Nervensystem, vermutete er. Die Erkenntnis, daß es die Stille nicht gibt, Klang wird immer da sein. Und trotzdem die Sehnsucht -, die Sehnsucht wonach? Nach der Umgebung, der Klanglandschaft eines schalltoten Raumes, zurückgeworfen auf den hohen und den tiefen Ton? Das bestimmt nicht. Die Sehnsucht nach der Abwesenheit von Lärm, der Abwesenheit von Ablenkung. Wie hier im Polenzwald, der Wind in den Bäumen und Schilf, manchmal gibt es Minuten, in denen uns kein Flugzeug überfliegt, die Autobahn ist weit genug entfernt, kein Hund bellt.

Später am Wegrand der Stumpf eines toten Baumes, das Holz zerfällt, Moos und Pilze überziehen es. Erst wenn man stehenbleibt, den Blick von den Schuhspitzen auf das tote Holz lenkt, nahe herangeht, wird der Lebensraum sichtbar, Ameisen, schwarz und groß wie Fingernägel. Und auch bei den Ameisen läßt sich die Stille finden, das sind keine klanglosen Tiere, aber wenn es mir gelingt ihr Knistern zu hören, dann höre ich auch die Stille zwischen den Geräuschen.

bemtevi