04:45 Uhr – 08.00 Uhr, 10°C, heiter bis wolkig, wenig Wind.
Ich bin heute zeitig hergekommen, um die Klanglandschaft am Grabschützer See während des Sonnenaufgangs aufzunehmen. Im letzten Jahr hat in dem dichten Schilf eine Rohrdommel gerufen, dieses Jahr habe ich sie noch nicht gehört. Am See brütet ein Paar Höckerschwäne, und einige Haubentaucher und Reiherenten haben sich versammelt. Vor zwei Wochen war an dieser Stelle noch ein Froschkonzert, Teichfrösche haben gequakt und im Schilf ein Rohrschwirl wie eine riesige Heuschrecke gesummt. Davon ist jetzt nichts mehr zu hören, dafür singen Drosselrohrsänger, Teichrohrsänger, Pirole, Nachtigallen. Ich nehme eine gute viertel Stunde auf, die Bundestraße ist nicht weit entfernt und auch die ersten Flugzeuge starten. Das Dröhnen der Maschinen kann so übermäßig sein, daß es alle anderen Klänge niederdrückt. Aber ein paar Minuten ohne Verkehrslärm gelingen mir.
Als ich das Mikrofon eingepackt habe, beginnt auch die Rohrdommel zu rufen, weiter entfernt, tiefer im Schilf als im letzten Jahr. Ich gehe weiter zum Zwochauer See, hier jagt eine Flußseeschwalbe. Vor zwei Jahren habe ich schon mal ein paar auf dem abgestorbenen Baum im östlichen Teil des Sees sitzen sehen, letztes Jahr konnte ich sie nicht entdecken. Jetzt fliegt eine über der glatten Wasseroberfläche, steigt dann auf, stößt ins Wasser hinab und taucht mit einem Fisch im Schnabel wieder auf. Am See sind schon zwei Angler und schauen mit großen Augen auf meine Mikrofone als ich an ihnen vorbeigehe. Ich glotze auf ihre Angeln und grüße nicht. In dem Buschland südlich des Werbeliner Sees mache ich eine schöne Aufnahme von einer Dorngrasmücke. Ich mag Grasmücken, diese kleinen, farblosen Vögel, die so laut singen und auf ihrem Zug so unglaublich weite Strecken zurücklegen können. Hier im Gebiet habe ich schon Mönchsgrasmücken, Sperbergrasmücken und Dormgrasmücken gehört. Mir fällt es noch schwer, ihre Gesänge auseinander zu halten, aber die Dorngrasmücke erkenne ich schon ziemlich sicher.
Auf den Pappeln am Weg zum Werbeliner See singt wieder ein Baumpieper, er ist eigentlich immer hier, ich habe schon einige Aufnahmen von ihm gemacht, von seinem Fluggesang, wie er sich mit abgewinkelten Flügeln hinabfallen läßt. Die heutige Aufnahme ist nicht besonders gut, der Lärm von der Bundesstraße stört zu sehr. Ein paar Mal höre ich auch eine Goldammer, ich habe schon vor zwei Wochen versucht sie aufzunehmen; und wie damals fliegt sie auf, jedes Mal, wenn ich mich weit genug für eine Aufnahme genähert habe. Ich bin zu plump für eine Goldammer. Auf dem Werbeliner See hat sich eine recht große Schar Graugänse versammelt, fünfzig bis hundert Tiere. Im Winter schlafen hier tausende Bläß- und Saatgänse, für Graugänse ist das hier ein Brutgebiet. Die große Ansammlung finde ich seltsam, den Grund dafür muß ich noch nachschlagen. Auch Starenschwärme fliegen immer wieder auf und lassen sich dann im Buschland am Seeufer nieder. Ich gehe über den Naturlehrpfad um den Grabschützer See zurück, auch wenn ich den Weg eigentlich nicht mag. Auf den letzten Kilometern am Westufer des Sees langweile ich mich meist, die Straße ist zu nah als daß man Tonaufnahmen machen kann. Aber heute lassen sich hier viele Neuntöter beobachten, drei verschieden Paare entdecke ich, wie sie von den Büschen Ausschau halten.