17:00 Uhr – 20:00 Uhr, wolkenlos, 28 °C, fast windstill
Das ist das erste Sommerwochenende in diesem Jahr, der Wald ist trotzdem menschenleer um diese Zeit. Die Papitzer Lehmlachen liegen versteckt im nördlichen Auenwald; einst sind sie durch Lehmabbau entstanden, heute gelten sie als eines der artenreichsten Feuchtbiotope in der ganzen Gegend. Ich habe vor, die Rotbauchunken aufzunehmen, die hier noch leben. Rotbauchunken sind kleine, wie plattgedrückt wirkende Frösche, deren Bäuche feuerrot gemustert sind. Ihre Rufe sind seltsam, haben nichts mit dem Quaken eines Frosches zu tun. Wenn man sie zum ersten Mal hört, fällt es schwer, das Geräusch überhaupt einem Lebewesen zuzuorden. Ähnlich wie der Ruf der Rohrdommel hat es eine Künstlichkeit, die sich schwer mit dem Bild, das man von dem zugehörigen Tier hat, übereinbringen läßt. Ich kenne das Aussehen von Rohrdommeln und Rotbauchunken nur aus Büchern. Sie in der Natur zu sehen ist schwierig, vielleicht kommt auch daher das Befremden.
Die Teiche glitzern in der untergehenden Sonne, ab und zu quakt ein Teichfrosch, grüne und blaue Libellen jagen. Ich halte sie für Mosaikjungfern und Azurjungfern. Auf einem Busch sitzt leuchtend gelb eine Goldammer, ist überhaupt nicht scheu und singt, als würde sie sich lustig machen, weil sie weiß, daß ich heute kein Mikrofon bei mir habe, um sie aufzunehmen. Vor ein paar Wochen habe ich hier das rhythmische Geräusch von Kaulquappen aufgenommen, die im flachen Wasser am Ufer wimmelten.
Die Kaulquappen sind verschwunden, dafür sehe ich ein paar winzige Frösche zwischen den Blättern. Vorsichtig lasse ich die Unterwassermikrofone zwischen die Wasserpflanzen sinken. Die Klangwelt im Teich ist eigenartig, so wenig zuordenbar. Sind es Wasserinsekten, Fische oder die Pflanzen, die diesen Geräuschteppich erzeugen?
Ein paar Meter weiter sind die Geräusche wieder andere, aber immer ist die akustische Landschaft von einem strengen Rhythmus durchzogen.
Ich nehme eine ganze Weile auf, dann höre ich weit entfernt tatsächlich die Rufe der Rotbauchunken. Über die Wiesen gehe ich den Rufen nach wie Odysseus dem Gesang der Sirenen und finde schließlich hinter dichtem Buschwerk einen Teich, den ich noch nicht kannte. Dort singen die Rotbauchunken.