07:15 Uhr – 10:00 Uhr
18-20°C, bedeckt, schwül.
Man kann sich mit dem Mikrofon hineinzoomen in sonst nicht wahrnehmbare Räume, akustische Mikroskopie. Ich sitze auf der großen Wiese an den Papitzer Lachen, die weißgetupft ist von Scharfgarbe, die Mikrofone habe ich im Gras versteckt. Langsam drehe ich den Verstärker höher, dann macht sich ein Raum auf, der vorher nicht da gewesen ist, ein Klangraum, der die Wiese durchzieht, ganz dicht über dem Boden. Gemeiner Grashüpfer, Wiesengrashüpfer, Nachtigallgrashüpfer, Grünes Heupferd, Gemeine Sichelschrecke, Zwitscherschrecke, Warzenbeißer, Roesels Beißschrecke. Das ist geraten, ich habe das Zirpen nicht zugeordnet, das ich gehört habe, aber das ist auch nicht so wichtig, da ist ein Lebensraum im Gras bis zu meinen Knien, den ich bis jetzt übersehen habe. Und während ich sitze und höre, beginne ich auch zu sehen. Spinnen, Käfer, Nacktschnecken, die gebänderte Prachtlibelle, ein blauer Schmetterling (Rotkleebläuling wie das Buch sagt), eine Wanze, die Buntrock heißt, rote und schwarze Ameisen und natürlich Stechmücken, die ich nicht erschlagen darf, um die Aufnahme nicht zu zerstören.
Dann auf dem Rückweg ein umgestürzter Baum, Totholz, die Rinde löst sich ab, drunter kriechen rotschwarze Käfer hervor. Ich schiebe die Mikrofone hinein, und auch hier: als würde jemand sprechen, vor sich hinmurmeln, während er beharrlich das Holz zersetzt. Eine andere Welt, das stimmt nicht, auch unsere Welt, da unten im Gras, oder unter der Rinde eines toten Baumes.