Papitzer Lehmlachen, 08.07.2017

06:15 Uhr – 08:45 Uhr
18°C, heiter bis wolkig, wenig Wind.

Es hat die Nacht über geregnet, die Wiesen sind feucht und die Mücken stechen. Bei jedem Schritt ins Gras flüchten Grashüpfer, zwischen den Halmen spannen sich glitzernd Spinnennetze auf. Es ist Sommer, die Vögel sind still geworden. Die ersten Jungen sind flügge, an mein Futterhaus auf dem Balkon kommen furchtlose Jungspatzen, die mir das Früstücksbrot vom Teller nehmen. Ich muß die Balkontür geschlossen halten, sie würden auch noch die Wohnung erobern. Wenn die Jungen ausgeflogen sind, muß kein Revier mehr verteidigt werden, kein Grund mehr zu singen. Nur die Goldammer tönt noch immer über die Wiese, ein Sommervogel, groß und gelb, dessen Gesang dem der Heuschrecken ähnelt, die jetzt die akustische Vorherrschaft übernehmen.

Die Blütenstände der Wasserpflanzen auf den Papitzer Lachen sind verschwunden, die Klanglandschaft unterwasser ist geblieben. Ein Wasserkäfer versteckt sich unter einem Blatt, Frösche, nicht größer als mein Daumennagel, flüchten vom Ufer. Unterwasser zirpen die Insekten.

Als ich zur Wiese zurückkomme, haben auch hier die Gesänge begonnen. Der Gewöhnliche Grashüpfer singt. Die Ähnlichkeit der Klänge erstaunt mich.

Ein Grashüpfer singt nicht, er spielt vielmehr ein Instrument, reibt sein Bein an einem Flügel wie den Bogen an einer Saite. Auch die Insekten unterwasser stridulieren, schaben mit einem Bein an einer Hornplatte am Kopf. Das Grüne Heupferd reibt die Flügel aneinander.

Manche Vögel singen wie Heuschrecken, der Rohrschwirl zum Beispiel.

Oder der Feldschwirl, der im Englischen Grashopper Warbler heißt, auch wenn sein Gesang vielmehr den Lauten eines Grünen Heupferdes oder einer Zwitscherschrecke ähnelt.

Das ist sich ähnlich, ohne Zweifel, auch wenn die Vögel kein Instrument spielen, nicht das Bein am Flügel reiben, sie singen wirklich, zumindest kommt das Geräusch aus ihrer Kehle, auch wenn dort keine Stimmlippen sind wie beim menschlichen Sänger. Das Geräusch entsteht viel tiefer in der Brust, in der Syrinx, dort schwingen Membranen. Die Syrinx ist benannt nach der Nymphe, die den Hirtengott Pan verschmähte, und sich auf der Flucht vor ihm in Schilf verwandelte. Als der Atem des Gottes durch das Schild strich, entstand ein bezaubernder Klang. Er schnitt darauf das Rohr und fertigte daraus eine Flöte, auf der er seine Lieder spielte. Eine von den tausend grausamen Geschichten, die Ovid ganz lieblich erzählt. Aber trotzdem, eine schöne Vorstellung, im Sommer auf einer Wiese liegen, Ovid lesen, umgeben vom Gesang der Insekten.

bemtevi